Schau mir in die Augen

Begegnen wir jemandem auf der Strasse, wissen wir genau was zu tun ist: wir suchen Blickkontakt und begrüssen uns (je nach Bekanntheits- und Sympathiegrad) mit mehr oder weniger Körperkontakt. Dies ganz locker und flockig und total spontan. Zusätzlich schaffen wir es auch noch ein Gespräch am Laufen zu halten – uns mit Smalltalk zu unterhalten und fragestellend und –beantwortend weiser zu werden. Meist machen solche Begegnungen auch noch Spass!

Viele meiner Logokinder mit ASS (Autismus-Spektrum-Störung) finden keine wirkliche Freude an solchen Begrüssungssequenzen. Einerseits fehlt ihnen dazu die Motivation, weil sie den Sinn dafür nicht sehen. Andererseits, weil das Gesicht des Gegenübers, das je nach Emotionen und Launen so unterschiedlich sein kann, kein wirkliches Interesse in ihnen hervorruft. Zu vieles ist immer wieder neu und anders, zu wenig bleibt über längere Zeit gleich und kann so zu einem sicheren Halt werden. So beschränken sich Menschen mit ASS auf Gesichtskonturen, Haaransatz oder die Brille, wenn sie uns „in die Augen“ schauen. Oder sie wenden den Blick ganz ab und suchen sich eine klarere, beständigere Körperpartie, die sie anschauen.

So nehme ich es mittlerweile ganz gelassen hin, dass meine Knie oder meine Pantoffeln bei der Begrüssung mit meinen Schülern oft die meiste Aufmerksamkeit bekommen.  

Charlotte Wandeler

Quelle: DLF Deutschschweizer Logopädinnen- und Logopädenverband

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